Die Rudolf-Wissell-Brücke ist das drittmeistbefahrene Autobahnstück Deutschlands. Beim Zeichnen unter der Brücke ist davon wenig zu merken. Wenn oben die Lastkraftwagen über den Beton donnern, schwingt der Beton dumpf. In etwa so, wie der Gesang der Wale in einer Unterseedoku. Angenehm mild ist es auch – im Herbst etwa- da die Nachmittagssonne die mächtigen Betonstrukturen aufwärmt wie einen Ofen. Die Angler und Zecher, die hier sonst lagern wissen das spezielle Mikroklima auch zu schätzen. Der Sand und die Gebüsche glitzern von geleerten und zerschlagenen Flaschen. Als ich zeichne, stapft ein junger Mann am Ufer des toten Spreearms entlang und sucht mit zunehmender Verzweiflung etwas.

Mit den Jahren ist die Brücke über die Spree baufällig geworden und wird für 231 Millionen Euro abgerissen und durch zwei neue reine Autobahnbrücken ersetzt. Dafür werden Kleingärten eingeebnet und Bäume gefällt und irgendwo in Brandenburg wird ein Ablassbiotop geschaffen. Also kein Projekt, das unmittelbar der sogenannten Verkehrswende verpflichtet ist.

Ein Schulfreund hatte hier eine Laube, die sich an ungeheuerlicher Stelle unter der Autobahnbrücke befand. Einige Laubenpieper erreichen ihre Scholle nur durch kurze feuchte Tunnel. Sie sind zu allen Seiten von Eisenbahngleisen und Autobahn eingeschlossen.
In einer dunklen Ecke hockt die Gaststätte Tunneleck. Ein Hybrid aus Kleingartenkneipe und Sperrmüllinstallation. Irgendwie romantisch. Hier plätschert auch ein kleiner Kanal, der als umgeleitete Spree durch den Schlosspark fließt. Das ganze Gebiet wird sich wohl in nächster Zeit stark verändern. Neben dem Brückenneubau wird auch die S-Bahn nach Gartenfeld und in die neue “Wasserstadt” wieder in Betrieb genommen. Jetzt ist dort noch ein Robinienurwald und keine Brücke über die Spree.