Ein erster kleiner Einblick in mein Kreuzkölln, dem mittlerweile „hippen“ Reuterkiez zwischen Kreuzberg und Neukölln, in dem früher niemand leben wollte. Vor ein paar Jahren war es hier noch ruhig und dreckig, heute ist es laut, voll und dreckig. Tag und Nacht ziehen Bierpullenschlepper und Bierpullenschleppersternchen durch die Kopfsteinpflasterstraßen und grölen sich in viel zu lautem Englisch aufgeregtes Zeug zu. Denn junge hippe Touristen sind immer aufgekratzt, sie können nicht einfach raunend und entspannt durch den Kiez bummeln. Vermutlich sind sie es gewohnt, sich über laufende Musik im Kopfhörer hinweg zu unterhalten. Die Zeichnung entstand im Juli 2022 an einem ausnahmsweise stillen heißen Sommertag, der sogar die Englischgröler verscheuchte. Ich schlurfte um die Ecke zu meinem Fahrradschrauber und plumpste erschöpft in den Schatten des Goldberg. Schräg gegenüber brütete der Biobäcker in der Sonne. Mehr war nicht zu schaffen an diesem Tag, an dem ich mich endlich mal wieder in meinem Kiez zuhause fühlte.
Nieselregen im Reuterkiez
Am nächsten Tag nieselte es sogar mal ein bischen und ich schlupfte beim Backhaus unter, nun mit dem Blick schräg gegenüber zum Goldberg, wo ich am Vortag gesessen hatte. Zum Glück hielt auch das bischen Regen die Gröltouristen und -sternchen fern, sodass ich schön gemütlich im heimischen Schmuddel hocken und zeichnen konnte. Mein Fahrradschrauber saute währenddessen mit seinen ewig schwarzen Händen mein Rad ein und brachte für kleines Geld die kaputte Schaltung wieder zum Laufen. Ein kleiner sorgenfreier Tag inmitten der allgegenwärtigen Beschissenheit der Dinge.
(Meanwhile tobt der Ukrainekrieg schrecklich weiter, die Wälder und Pflanzen verdorren und die großen Probleme der Welt sind natürlich immer gegenwärtig. Um nicht bekloppt zu werden, braucht man manchmal kleine Pausentage in der eigenen kleinen Welt.)
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